Der Chef muss die Gefährdungsbeurteilung richtig durchführen. Damit sollen Gefährdungen an Arbeitsplätzen, Arbeitsumgebung und Arbeitsmitteln ermittelt werden, die sich lang- oder kurzfristig negativ auf die Gesundheit der Beschäftigten auswirken. Erst wenn solche Gefährdungen bekannt sind, können Maßnahmen zur Vermeidung bzw. Minderung ergriffen werden.
Gesetzlicher Rahmen der Gefährdungsbeurteilung
Die Durchführung einer Gefährdungsbeurteilung ist in diversen Regelwerken (Verordnungen, Gesetze, technische Regeln etc.) vorgeschrieben. Übergeordnet, gültig für alle Arbeitsplätze, wird sie im Arbeitsschutzgesetz gefordert:
„…§ 5 Beurteilung der Arbeitsbedingungen
- Der Arbeitgeber hat durch eine Beurteilung der für die Beschäftigten mit ihrer Arbeit verbundenen Gefährdung zu ermitteln, welche Maßnahmen des Arbeitsschutzes erforderlich sind.
- Der Arbeitgeber hat die Beurteilung je nach Art der Tätigkeiten vorzunehmen. Bei gleichartigen Arbeitsbedingungen ist die Beurteilung eines Arbeitsplatzes oder einer Tätigkeit ausreichend.
- Eine Gefährdung kann sich insbesondere ergeben durch:
- Die Gestaltung und die Einrichtung der Arbeitsstätte und des Arbeitsplatzes
- Physikalische, chemische und biologische Einwirkungen,
- Die Gestaltung, die Auswahl und den Einsatz von Arbeitsmitteln, insbesondere von Arbeitsstoffen, Maschinen, Geräten und Anlagen sowie den Umgang damit,
- Die Gestaltung von Arbeits- und Fertigungsverfahren, Arbeitsabläufen und Arbeitszeit und deren Zusammenwirken,
- Unzureichende Qualifikation und Unterweisung der Beschäftigten,
- Psychische Belastungen bei der Arbeit …“
Die Dokumentationspflicht ergibt sich u.a. aus §6 „Dokumentation“ des Arbeitsschutzgesetzes.
In der aktuellen Betriebssicherheitsverordnung (Stand: 2015) wird in § 3 „Gefährdungsbeurteilung“ betont, dass der Arbeitgeber bereits vor der ersten Verwendung eines Arbeitsmittels die damit verbundenen Gefährdungen ermitteln und beurteilen muss. Als Resultat der Beurteilung sind Schutzmaßnahmen zu ergreifen, um die jeweiligen Schutzziele zu erreichen.
Dieser Personenkreis ist zu beteiligen, wenn Sie die Gefährdungsbeurteilung durchführen
Gesetzlich ist nur der Arbeitgeber in der Pflicht, eine Beurteilung der Arbeitsbedingungen durchzuführen und wirksame Schutzmaßnahmen zu ergreifen. Je nach Unternehmensgröße und –struktur verfügt der Arbeitgeber allerdings nicht über alle erforderlichen Kenntnisse.
Aus diesem Grund müssen für die Durchführung der Gefährdungsbeurteilung weitere Akteure eingebunden werden. Es bietet sich an, mindestens einen Beschäftigten pro repräsentativen Arbeitsbereich einzubeziehen. Eine theoretische Erstellung vom „Schreibtisch“ aus ist oft nicht möglich. Zwar lassen sich dort organisatorische Regelungen erfassen (wer leistet Erste Hilfe, wie kann man sicherstellen, dass sich bei bestimmten Arbeiten mehrere Personen in Arbeitsplatznähe aufhalten etc.), aber eine Betrachtung der Gesamtsituation (technisch und psychisch) ist oft nur am entsprechenden Arbeitsplatz vor Ort möglich. Oft stellen nicht nur die offensichtlichen Mängel dar, sondern das Zusammenspiel mehrerer Faktoren sorgt für negative Einflüsse auf die Mitarbeitergesundheit.
Ein wichtiger Partner für die Erstellung ist die Fachkraft für Arbeitssicherheit. Es zählt zwar nicht zu deren Aufgabe dem Arbeitgeber die Arbeit abzunehmen, aber sie müssen diese beraten und unterstützen. Die Verantwortung für die Erstellung bleibt beim Unternehmer.
Anforderungen und Bestandteile an die Gefährdungsbeurteilung
Eine Gefährdungsbeurteilung muss immer spezifisch (auf den einzelnen Arbeitsplatz bezogen) durchgeführt werden, weil an jedem Arbeitsplatz mit anderen Gefahrenquellen umgegangen wird.
Ein Muster – So müssen Sie die Gefährdungsbeurteilung durchführen
Gibt es ein gleichbleibendes Muster der Gefährdungsbeurteilung?
Es gibt einen Ablauf, der ähnlich ist:
Eine Gefährdungsbeurteilung muss immer spezifisch (auf den einzelnen Arbeitsplatz bezogen) durchgeführt werden, weil an jedem Arbeitsplatz mit anderen Gefahrenquellen umgegangen wird. Damit werden Gefährdungen systematisch ermittelt.
In § 3 „Gefährdungsbeurteilung“ der BetrSichV müssen in die Beurteilung alle Gefährdungen einfließen, die bei der Verwendung der Arbeitsmittel auftreten können:
- Gebrauchstauglichkeit der Arbeitsmittel: ergonomische, alters- und alternsgerechte Gestaltung
- Sicherheitsrelevante Zusammenhänge (einschließlich ergonomische) zwischen Arbeitsplatz, Arbeitsmittel, Arbeitsverfahren, Arbeitsorganisation, Arbeitsablauf, Arbeitszeit und Arbeitsaufgabe
- Die mit der Verwendung verbundenen psychischen und physischen Belastungen
- Vorhersehbare Betriebsstörungen und die Maßnahmen zu deren Beseitigung
Dabei müssen auch Sonderfälle (Reparaturen, Wartungen, Betriebsstörungen etc.) beurteilt werden. Um die Eignung des entsprechenden Arbeitsmittels für die geplante Verwendung, Arbeitsabläufe und Arbeitsorganisation prüfen zu können, soll die Gefährdungsbeurteilung bereits vor Auswahl und Kauf erfolgen.
Damit die Gefährdungen der Mitarbeiter durch die Gefahrenquellen richtig eingeschätzt werden können, sind neben den Kenntnissen über die Eigenschaften der Quellen auch noch Überlegungen zum Ausmaß der Schädigung und der entsprechenden Eintrittswahrscheinlichkeit anzustellen.
Ermittlung und Bewertung der Gefährdungen
Eine Gefährdungsbeurteilung lässt sich in mehrere Schritte aufteilen und stellt einen Kreislaufprozess dar.
Der Kreislauf entspricht dabei dem Muster der Gefährdungsbeurteilung.
Im ersten Schritt werden die Gefährdungen ermittelt. Hier werden alle Einflussfaktoren erfasst, die für sich selbst oder beim Zusammentreffen mit anderen Faktoren die Gesundheit der Beschäftigten negativ beeinflussen können. Im zweiten Schritt werden diese Gefährdungen beurteilt. Dabei wird hinterfragt, welche Art von Schaden entstehen kann, wie hoch das Schadensausmaß wäre und mit welcher Wahrscheinlichkeit bzw. unter welchen Bedingungen es zu einer konkreten Gefahr kommen kann. Sind die Gefährdungen bekannt und beurteilt, werden Maßnahmen festgelegt, um den Übergang der Gefährdung zu einer Gefahr zu blockieren.
Schutzmaßnahmen festlegen
Bei der Auswahl geeigneter Schutzmaßnahmen ist die Einhaltung des STOP-Prinzips obligatorisch. STOP steht dabei für:
- Substitution
- Technische Maßnahmen
- Organisatorische Maßnahmen und
- Persönliche Schutzausrüstung (PSA)
Dabei ist die Priorität der zu ergreifenden Maßnahmen in der genannten Reihenfolge abzuarbeiten. Der Einsatz von PSA ist prinzipiell die letzte Option und nur dann erlaubt, wenn eine Realisierung durch die vorher genannten Maßnahmenbereiche nicht möglich ist.
Schutzmaßnahmen umsetzen und Wirksamkeitskontrolle
Die festgelegten Schutzmaßnahmen müssen nun umgesetzt werden. Auch wenn die Planung der zu treffenden Maßnahmen gewissenhaft durchgeführt wurde, kann es Umstände oder Wechselwirkungen im Arbeitssystem geben, die in den Überlegungen nicht erfasst wurden / werden konnten. Es ist daher notwendig, die Wirkung der Schutzmaßnahmen zu überprüfen. Stellt sich heraus, dass die Schutzwirkung unzureichend ist, so müssen die getroffenen Maßnahmen kritisch hinterfragt und angepasst bzw. ersetzt werden.
Wenn die Schutzmaßnahmen ausreichende Wirkung zeigen, so ist die Gefährdungsbeurteilung vorerst für diesen Arbeitsbereich abgeschlossen.
Regelmäßig Gefährdungen ermitteln
In regelmäßigen Abständen muss die Gefährdungsbeurteilung auf Aktualität geprüft werden. Dabei kann sich ergeben, dass sie auch weiterhin vollständig und gültig ist. In welchem Zeitraum diese Prüfung durchzuführen ist, wird durch den Gesetzgeber nicht genau vorgeschrieben. Es liegt im Verantwortungsbereich der Arbeitgeber, eine sinnvolle Frist festzusetzen.
Es ist ein Irrglaube, dass Sie die Gefährdungsbeurteilung jedes Mal neu durchführen müssen. So muss lediglich geprüft werden, ob sie aktuell ist. Ggf. muss der Inhalt angepasst bzw. erweitert werden.
Änderungen ergeben sich dann, wenn sich einzelne Komponenten des Arbeitssystems (z.B. eingesetzte Arbeitsmittel, Arbeitsumgebung etc.) verändern. In diesem Fall ist vor Ablauf der gesetzten Frist die Gefährdungsbeurteilung sofort anzupassen. Das Gleiche gilt für die Schutzmaßnahmen. Eine umgehende Aktualisierung der Gefährdungsbeurteilung ist auch dann notwendig, wenn neue Erkenntnisse und Informationen aus der arbeitsmedizinischen Vorsorge und dem Unfallgeschehen vorliegen.
Im Sinne der erleichterten Nachweisbarkeit über die Durchführung der Gefährdungsbeurteilung ist das Ergebnis der Überprüfung zu dokumentieren, auch dann, wenn sich keine Änderungen ergeben haben.
Die Dokumentation der Gefährdungsbeurteilung kann elektronisch oder auf dem Papier vorgehalten werden. Sofern nicht in speziellen Arbeitsschutzvorschriften konkrete Vorgaben gefordert werden, müssen folgende Inhalte in der Gefährdungsbeurteilung ersichtlich sein:
- Die Beurteilung der Gefährdungen
- Die Schutzmaßnahmen, die festgelegt wurden
- Bis zu welchem Zeitpunkt die Maßnahmen umgesetzt werden
- Wer für die Umsetzung verantwortlich ist
- Dass die Maßnahmen durchgeführt wurden
- Das Ergebnis der Wirksamkeitskontrolle und
- Das Datum der Erstellung bzw. Aktualisierung
Sind zwar in einem speziellen Regelwerk konkrete Schutzmaßnahmen für bestimmte Gefährdungen vorgeschrieben, können aber nicht umgesetzt werden, so muss die Abweichung von der Vorgabe inklusive deren Kompensationsmaßnahmen und deren Wirksamkeit in der Gefährdungsbeurteilung dokumentiert werden.